Wer am Strand oder in den Hotel's in Sosúa unbeschwert die Sonne geniesst, kann sich nicht vorstellen, dass sich hier ein Drama der jüngeren deutschen Geschichte abgespielt hat.
Auf Initiative des amerikanischen Präsidenten Roosevelt trafen sich am 6. Juli 1938 Vertreter von 32 Nationen in Evian am Genfersee, um über die kontrollierte Aufnahme jüdischer Flüchtlinge aus Deutschland zu beraten. Das Ergebnis war enttäuschend. Wohl aus Furcht vor verelendeten Flüchtlingsmassen und einer zu starken wirtschaftlichen Belastung lehnten es alle Staaten ab, die heimatlos gewordenen Juden bei sich aufzunehmen. Mit einer Ausnahme allerdings: Der Dominikanische Diktator Rafael Leónidas Trujillo, der als einer der blutrünstigsten und brutalsten Despoten der Neuzeit in die Geschichte eingegangen ist, erklärte sich bereit, 100'000 jüdische Flüchtlinge aus Deutschland in seinen Inselstaat einreisen zu lassen.
Das auf den ersten Blick so verblüffende Angebot war jedoch keine humanitäre Geste des Diktators Trujillo, sondern vielmehr ein vulgäres, rassistisches Kalkül. Die einhunderttausend weissen jüdischen Siedler sollten durch Heirat und Vermischung mit Einheimischen den Farbton der Dominikaner gegenüber der schwarzen Bevölkerung im westlichen Nachbarstaat Haiti «aufhellen». Ausserdem sollte in den dünnbesiedelten, abgelegenen Regionen eine europäische Land- und Viehwirtschaft eingeführt werden, wiederum als Absicherung gegen Haiti.
Im weiteren erhoffte sich Trujillo von der Geste gegenüber den Juden eine Aufwertung seines internationalen Ansehens, welches er durch die Abschlachtung auf grausamste Weise von 50'000 Haitier verloren hatte. Bedingung für die Einreise war, dass 90 Prozent der Immigranten unverheiratet, im heiratsfähigen Alter, handwerklich ausgebildet, und bereit waren, in der Landwirtschaft zu arbeiten.
Jüdische Wohlfahrtsorganisationen in den USA finanzierten 1940 und 1941 zwei Frachtschiffe, die von Lissabon aus insgesamt 500 Personen unter erbärmlichen Umständen vor dem tödlichen Zugriff der Nationalsozialisten retteten und in eine ungewisse neue Heimat transportierten. Wegen des Krieges wurden alle grösseren Schiffe von den Alliierten requiriert, weshalb wegen fehlenden Transportmöglichkeiten nur 500 Juden ins Land kamen und nicht 100'000, wie von Trujillo zugesagt.
Wer ein gültiges Visa der Dominikanischen Republik hatte, konnte nach Lissabon ausreisen, in jene Stadt, die für viele zum Tor in die Freiheit wurde. Einige Juden hatten versucht, die Ausreise mit gefälschten kubanischen Visa zu erlangen; erkannte man jedoch die Täuschung, wurden sie wieder zurück ins Lager geschickt. Erschütternden Szenen, spielten sich innerhalb der jüdischen Gruppen ab, als es darum ging, die Bedingungen des Diktators zu erfüllen. Es mussten jene Personen ausgesucht werden, die die elenden Strapazen der Überfahrt überleben konnten, und dann auch noch kräftig genug waren, schwerste körperliche Arbeit zu leisten. So waren zwar einige Juden, die sich quer durch Europa bis nach Portugal durchgeschlagen hatten, den Häschern der Nationalsozialisten entkommen, nicht aber der eigenen Selektion.
Das Schiff mit den Einreisenden konnte weder hinreichend mit Nahrungsmitteln versorgt werden noch verfügte es über irgendwelche Waschgelegenheiten. Im Hafen von Puerto Plata wurden sie aber von der einheimischen dominikanischen Bevölkerung mit herzlichem Geklatsche und überaus freundlichem Beifall begrüsst.
Der Diktator persönlich hatte für 50'000 Dollar von der aus dem Land scheidenden United Fruit Company 108 Quadratkilometer Land gekauft und dieses den ansiedelnden Juden aus Europa für 100'000 Dollar verkauft. Finanziert wurde der Kauf aus Spendengeldern von der Dominican Republic Settlement Association (Dominikanische Siedlungsgesellschaft). Unter Leitung der amerikanischen Hilfsorganisation Joint Distribution Committee (JDC) wurde das Land an die aus Europa einreisenden Juden aufgeteilt und ihnen zur Bewirtschaftung zur Verfügung gestellt.
Zuerst versuchten die Siedler Weizen anzubauen. Erst die nach einigen Fehlschlägen aus Palästina zu Hilfe gerufenen landwirtschaftlichen Experten konnten sie davon überzeugen, dass sich der Boden nicht für den Weizenanbau eignete. Besser eignete sich das Land für die Viehzucht und bald wurde ein jüdischer Siedler zum grössten Viehzüchter der Region. Ihm als Fachfremdem war es gelungen, Holsteiner Kühe mit anderen Rassen derart erfolgreich zu kreuzen, dass sie nicht nur 5 bis 6 Jahre, sondern bis zu 25 Jahre Milch gaben. Die neue Zucht war darüber hinaus erstmals auch in der Lage, auf den höhergelegenen bergigen Wiesen zu weiden. Als es ihm möglich war, weitere Farmen zu pachten, vergrösserte Hauser seine Herde auf mehr als 1000 Rinder. Die neue, den Bedingungen der Insel angepasste Zucht wurde so begehrt, dass er die Tiere verkaufen und bis nach den Bermudas exportieren konnte.
Die jüdischen Siedler vermarkten ihre Milchprodukte heute auf der gesamten Insel (Butter, Käse und Joghurt), über eine genossenschaftlich organisierte Molkerei, deren Anteilscheine ausschliesslich von jüdischen Familien gehalten werden. Ebenso lassen sich nach deutschen Rezepturen hergestellte Fleisch- und Wurstwaren in den Supermärkten finden.
In Sosúa ist auch eine Gedenkstätte zur mahnenden Erinnerung an die jüdische Besiedlung vor einem halben Jahrhundert zu finden, ebenso weitere historische Dokumente aus aller Welt. Im Stadtzentrum stehen auch noch einige Baracken aus der Pionierzeit, die das JDC den Siedlern zur Verfügung gestellt hatte.